Dossier: Die Digitalisierung zeichnet neue Umrisse der Städte von morgen

Digitale Technik wird mittlerweile in gross angelegten Planungsprozessen eingesetzt und findet in zahllosen Handlungsfeldern Anwendung, von der effizienten Energienutzung bis hin zur Organisation von Mobilität. In diesem Bereich unterstützt BG bei der Implementierung von Lösungen und deren Überwachung. Beispiele sind die Kläranlage Aïre, das Projekt Smart Mobility Genf, das Tool für das koordinierte Verkehrsführung im Ballungsraum (GCTA) und die GIS-Anwendung für die Energieplanung.

Leitartikel von Sylvain Riss

BG war eines der Pionierunternehmen in der Schweiz, das Gebäude mittels BIM (Building Information Modeling) dreidimensional modellierte. Der gekonnt angewandte Ansatz geht einen neuen Schritt weiter, indem er die Anwendungsbereiche der Digitalisierung auf den Massstab von Stadtteilen, Städten und sogar ganzen Regionen ausweitet. Diese Digitalisierung leitet eine globale Sichtweise auf das bisher fragmentierte Stadtbild ein.

Mit der Unterstützung verschiedener Werkzeuge im Zusammenhang mit City Information Modeling (CIM) eröffnen sich neue Perspektiven für die Organisation und Verwaltung des Raumes. Durch die Modellierung eines städtischen Raums als Ganzes, durch die Integration aller Informationen, die ihn ausmachen (Wasser, Beleuchtung, Verkehr, Parken, Gebäude, Pflanzen, Abfall usw.), kann ein besseres Verständnis von Stadtplanungsprojekten erreicht werden. Ihre Visualisierung und Leistungssimulationen, die dank technologischer Entwicklungen möglich sind, tragen in hohem Masse dazu bei, die Entscheidungsfindung von Behörden im Hinblick auf wichtige Themen wie Bevölkerungskonzentration, Klimawandel und Nachhaltigkeit zu erleichtern.

Für Sylvain Riss, Direktor für Digitaltechnik & BIM bei BG, ermöglicht die Modellierung des Stadtraums die Entwicklung langfristiger städtebaulicher Konzepte und die Prüfung verschiedener Entwicklungsvarianten. Die Städte befinden sich in einem Fortschrittsprozess. Die Mentalität ändert sich, besonders im Bereich der Mobilität. Sind heute noch Scooter beliebt, werden morgen wahrscheinlich andere Verkehrsmittel bevorzugt, wie Hyperloops, Überschallzüge oder urbane Seilbahnen. Aufgrund der hohen urbanen Dichte sind Simulationen zunehmend notwendig, um sich die Stadt anders vorzustellen und ihre Entwicklung zu bestimmen, bzw. die positiven oder negativen Folgen ihrer wirtschaftlichen und ökologischen Entwicklung zu antizipieren, basierend auf einer mehrskaligen Vision des Raums bemerkt der Experte, überzeugt von der Relevanz des Ansatzes für die Herausforderungen der Urbanisierung für die Zukunft.

Eine globale Sicht auf eine Vielzahl von Informationen

Der Erfolg eines gross angelegten Urbanisierungsprojekts hängt von der Erfassung, Verarbeitung und Verwaltung von Daten ab, die von einem zentralen System analysiert werden. BG entwickelt hochmoderne IT-Lösungen, die eine Vielzahl unterschiedlicher Informationen verarbeiten und zu einem Gesamtbild zusammenfügen können. «Um Städte oder grössere Regionen besser zu organisieren, um Veränderungen vorherzusagen, um neue soziale und politische Dynamiken zu integrieren, braucht man objektive Informationen aus dem städtischen Umfeld», erklärt Sylvain Riss. Die Datenerfassung erfolgt über verschiedene, vor Ort angeschlossene Objekte. Sensoren messen die Luftqualität oder den Füllstand von Abfallbehältern und leiten aufgrund dieser Daten die Fahrtroute der Müllautos. Andere Sensoren regeln die Zufahrt zu Parkhäusern, indem sie freie Parkplätze signalisieren.» Sylvain Riss zufolge «entwickeln sich Smart Cities in erster Linie im Interesse ihrer Bewohner, während die Modellierung eher im Dienste der städtischen Strategie steht.»

Der Ansatz entspricht in erster Linie dem Interesse der Nutzer. Die grosse Menge an gesammelten Informationen gibt Aufschluss über die tatsächlichen Bedürfnisse der Bevölkerung und ermöglicht es, eine intelligente Kombination von Infrastrukturen und Dienstleistungen auf Gebäude-, Stadt- oder Gebiet-sebene anzubieten.

Die urbane Revolution hat begonnen

In Kombination mit dem Internet der Dinge, künstlicher Intelligenz, GIS (Geoinformationssystemen) und digitalen Dienstleistungen wird das Potenzial der städtischen Digitalisierung noch intensiver. Um die technologischen Entwicklungen optimal nutzen zu können, geht es darum die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen beteiligten Akteuren zu optimieren. Das Management der Zusammenarbeit in Projekten erfordert die Entwicklung interoperabler Tools und Arbeitsumgebungen, die es allen Beteiligten ermöglichen, ihre Daten unter Wahrung der gegenseitigen Vertraulichkeit auszutauschen. Vom Gebäude bis zur Region entstehen neue Wege der Raumverwaltung. Die Digitalisierung eröffnet vielversprechende Perspektiven und wird unser Umfeld im kommenden Jahrzehnt neu gestalten.

Kläranlage Aïre: BIM für eine bessere Wasseraufbereitung

Die Kläranlage Aïre 1 entstand auf dem Reissbrett und wurde 1967 eingeweiht. Aïre 2 wurde im Jahr 2003 gebaut. Man stand am Anfang der Digitaltechnik. Heute ist die Genfer Kläranlage überlastet und entspricht nicht mehr den aktuellen Standards für die Beseitigung von Mikroverunreinigungen. Sie muss neu dimensioniert und aufgerüstet werden. Die Erweiterungsarbeiten für die Wasserversorgung Aïre 2+ sollen in den Jahren 2022-2023 beginnen. Wie in anderen Bereichen bewegen sich auch Kläranlagen und Wasseraufbereitungsanlagen in Richtung digitale Planung, insbesondere mit der Entwicklung von BIM-Design. BG wurde mit der Generalplanung für den Ausbau der Wasserversorgungskette der künftig grössten Anlage der Schweiz beauftragt.

Das Projekt ist auf sieben Jahre angelegt und umfasst die Realisierung aller grafischen Leistungen mit BIM. Bereits in der Entwurfsphase sorgt das BIM-Tool mit der Modellierung der Ausrüstung für eine einfachere Kommunikation zwischen den verschiedenen Akteuren, eine bessere interdisziplinäre Koordination und jederzeitigen Zugriff auf alle nützlichen Daten eines Bauwerks.

Für Stéphane Bielser, Projektleiter für den Bereich Wasseraufbereitung bei Aïre 2+, könnte BIM neue Perspektiven bieten, insbesondere im Hinblick auf die Datenverwaltung und die Nutzung für den Betrieb. «Wir könnten in einem 3D-Modell zum Beispiel fehlerhafte Geräte lokalisieren oder die Anpassung der Installationen entsprechend dem vorhergesagten Regenfluss vorwegnehmen.» BIM würde daher nicht nur die Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten durch eine gemeinsame digitale Datenumgebung verbessern, sondern auch die Simulation verschiedener Szenarien ermöglichen, um die Behebung von Störungen zu antizipieren, den Energieverbrauch, die betriebliche Effizienz oder die Lebenszykluskosten der Infrastruktur zu messen. Die Implementierung von BIM-Prozessen ist hochkomplex, aber die Vorteile eines solchen Tools sind beträchtlich, um die verschiedenen Akteure beim digitalen Wandel und beim Aufbau zukünftiger Infrastrukturen zu unterstützen.

Smart Mobility Genf: Daten, Tools, ein Konzept

Das kantonale Amt für Verkehr in Genf hat ein umfangreiches Smart-Mobility-Programm aufgelegt, um den intermodalen Verkehr im Kanton flüssiger und sicherer zu gestalten. Dies ist ein ausserordentlich komplexer Ansatz angesichts der örtlichen Gegebenheiten. BG unterstützt das Programm mit einem «Smart Mobility»-Konzept, das nach der Erfassung und Analyse einer Vielzahl von Daten entwickelt wurde, um Mobilitätsmanagementpläne zu implementieren und die Beschilderung für die Nutzer zu gestalten.

Genf hat Mobilitätsprobleme. Das Stadtgebiet leidet unter einer sehr hohen Verkehrsdichte und das Netz ist ständig überlastet. Umgeben von der französischen Grenze, durch die Rhone geteilt und eingekeilt zwischen See und Bergen, hat die Stadt kaum Spielraum zur Entwicklung ihrer Verkehrswege. Der Kanton zählt rund 500.000 Einwohner, die im Durchschnitt 3,6 Fahrten pro Tag unternehmen. Daher die Notwendigkeit des vom kantonalen Verkehrsamt beschlossene Massnahmen des Aktionsplans zum besseren Fluss und Sicherheit des intermodalen Verkehrs für die Lebensqualität der Einwohner des Grossraums Genf.

Dieses Programm, das bereits 2010 validiert wurde, steht im Einklang mit dem kantonalen Gesetz für kohärente und ausgewogene Mobilität (LMCE), das am 5. Juni 2016 von 68% der Bevölkerung angenommen wurde und dem Langsamverkehr und öffentlichen Verkehrsmitteln Priorität einräumt. Sein Ziel ist es, das Management aller Verkehrsströme verschiedenen Verkehrsmitteln, d.h. Auto, Zug, Genfer Verkehrsverbund (TPG), Fahrrädern, Rollern und Fussgängern, neu zu organisieren. «Das erfordert zwei Optimierungen», erklärt Ludovic Magnin, Projektleiter bei BG. «Erstens die Kontrolle des Netzwerks und die Kenntnis von geplanten und ungeplanten Ereignissen, und zweitens Feedback über diese Ereignisse mit einer rationalen und pragmatischen Kommunikation an die Benutzer dank einer speziellen Plattform.»

In diesem Kontext ist BG an einem «Smart Mobility»-Mandat beteiligt, das sich auf vier Missionen konzentriert. Die erste Mission besteht in der Erstellung von Mobilitätsmanagementplänen (MMPs), in denen die Massnahmen festgelegt werden, die die Betreiber ergreifen müssen, um geplante Ereignisse, wie Veranstaltungen oder Bauarbeiten, oder ungeplante Ereignisse, wie Unfälle, zu bewältigen; die zweite Mission besteht darin, die Verkehrsbeschilderung für die Benutzer zu definieren, um ihnen die Möglichkeit zu geben, vorausschauend zu handeln und Umleitungsrouten zu wählen, mit Hilfe von Anzeigetafeln, die Meldungen über den Ort der Störung und die verfügbaren Alternativen enthalten; die dritte Mission beinhaltet die Installation von etwa 100 Videoüberwachungskameras, mit vorgelagerten Studien der relevanten Standorte, um die richtigen Informationen für das Management von Strassenkreuzungen zu erhalten; und zuletzt sieht die vierte Mission die Implementierung eines Verkehrsführungssystems vor.Nutzer im Rahmen der Smart Mobility über andere Verkehrsmittel als das Auto zu informieren, entspricht den Zielen des Gesetzes für kohärente und ausgewogene Mobilität (LMCE) «So kann der Motorverkehr reduziert, der Verkehrsfluss verbessert und der CO2-Ausstoss verringert werden», ergänzt der Projektleiter. «Dank der Smart Mobility und den Daten, die wir erfasst und analysiert haben, sind wir so nah wie möglich an der Realität», erklärt Ludovic Magnin. «So können wir Fahrzeiten kontrollieren und vorhersehen, zum Beispiel für einen Benutzer, der ein Flugzeug erreichen muss; Verkehrsmittel werden zuverlässiger, indem Alternativen angeboten werden.» Die Verwaltung der analysierten Daten ist ein integraler Bestandteil der städtischen Strategien und der Art und Weise, wie sie kommuniziert werden, sowohl auf städtischer als auch auf territorialer Ebene.

Koordinierte Verkehrsführung in der Agglomeration Lausanne-Morges: vernetzte Infrastrukturen, un sich eine neue Mobilität vorzustellen

Strassenverkehr und öffentliche Verkehrsmittel stehen im Mittelpunkt der Debatte über Mobilität und Luftqualität, die nach wie vor weitgehend vom Verkehr abhängt. Für das «Projet d‘Agglomération Lausanne et Morges (PALM)» arbeitet BG an der Einrichtung einer koordinierten Ballungsraum-Verkehrsleitstelle (GCTA), die bei Veranstaltungen zu einem reibungslosen Verkehrsfluss beitragen und gleichzeitig den öffentlichen Verkehr und die Luftqualität fördern soll.

«Es handelt sich um ein System, das die 26 Gemeinden im PALM zusammenführt, wobei jede die Kontrolle über ihr Verkehrsmanagement behält», erklärt Hubert Galland, Projektkoordinator bei BG.

Die GCTA ist nicht für den täglichen Verkehr gedacht, sondern für bestimmte Ereignisse, die gelegentliche Störungen verursachen, wie Baustellen und kulturelle oder sportliche Veranstaltungen.»

Die GCTA betreibt bestehende Infrastrukturen, aber auch neue Ausrüstung die dem betreffenden Netz hinzugefügt werden: Kameras, Informationstafeln und Verkehrsdetektoren. Mit dieser Zentrale wird es möglich sein, präventiv auf geplante Ereignisse zu reagieren, aber auch Unvorhergesehenes (Unfälle, Pannen oder andere techni-sche Vorfälle) zu bewältigen. Die Implementierung der GCTA ist für Mitte 2022 geplant. Es wird mit einer intelligenten Bedienstation ausgestattet sein, die mit allen verkehrsrelevanten Elementen verbunden ist.

Strassen, Wegweiser, Ampelkreuzungen usw. Die GCTA wird sie dem Bediener zur Verfügung stellen, der eine kontinuierliche Sicht auf den Verkehr haben wird. Er wird in der Lage sein, aus der Ferne auf die angeschlossenen Infrastrukturen einzuwirken, um die Nutzer zu informieren und zu leiten.

Der Bediener wird auch in der Lage sein, den Verkehr umzuleiten und zu regulieren, indem er an Kreuzungen eingreift, Umleitungen einrichtet, den Rhythmus von Ampeln ändert und öffentliche Verkehrsmittel vorzieht.

Für BG ist dieses Projekt, das Sinn für Innovation und nachhaltige Mobilität verbindet, symbolisch für die Umsetzung der intelligenten Nutzung von Daten und Infrastruktur zum Wohle der Nutzer und der Umwelt.

Innovatives GIS-Tool für die Energieplanung

Kommunale Energieplanungen sind komplexe Projekte und für die Gemeinden eine herausfordernde Aufgabe. WWZ, der führende Energieversorger im Kanton Zug, will sie dabei unterstützen. Die Idee: Ein Web-basiertes GIS-Tool soll für die Gemeinden alle Daten und Informationen aufbereiten, die sie benötigen, um ihre Energieplanung in Angriff zu nehmen. Mit der Entwicklung der App wurde BG beauftragt. Im Frühjahr 2021 kann das fertige Produkt nun den Zuger Gemeinden vorgestellt werden.

Spezifische Daten gezielt kombinieren

Geoinformationssysteme (GIS) sind in den letzten Jahren unverzichtbar geworden, um beliebige Daten zu erfassen, darzustellen und anderen Nutzern zugänglich zu machen. Der Vorteil der von BG entwickelten Web-App liegt darin, dass sie genau auf die Bedürfnisse der Energieplanung zugeschnitten ist. So lassen sich spezifische Datensätze von Bund, Kanton, Gemeinden und WWZ je nach Fragestellung kombinieren und auswerten.

Das Tool generiert dann eine neue Karte, mit der die benötigten Informationen anwenderfreundlich verfügbar sind. Auf diese Weise erhält eine Gemeinde zum Beispiel rasch den Überblick über die zukünftige Entwicklung der Nachfrage nach Strom oder Fernwärme in einem bestimmten Gebiet und über allfällige Ausbaupläne des Energieversorgers WWZ – wichtige Entscheidungsgrundlagen, wenn sie zum Beispiel mit dem Bau eines eigenen Nahwärmeverbunds liebäugelt.

Für Energieplanung – und mehr

Das Web-GIS für die Zuger Gemeinden wurde BG-intern als Innovationsprojekt ausgewählt und erhält somit Unterstützung für seine Weiterentwicklung. Sara Wyss, Leiterin der Einheit Bau, Energie und Raumplanung Deutschschweiz, blickt schon in die Zukunft: «Energieplanung ist nur der Anfang. Wir möchten das Tool auch in weiteren Themenfeldern zum Einsatz bringen.»

(Artikel aus dem BG Magazin 2021, für die Website aktualisiert)