Der Mensch und die Innovation, die beiden zentralen Komponenten der Smart City-Strategie in Zürich

Eine «Smart City-Strategie» soll der Stadt Zürich helfen, ihre Ziele zu erreichen und die Lebensqualität zu steigern. Für Anna Schindler, Direktorin der Stadtentwicklung Zürich, zu der das Smart City-Team gehört, geht es dabei weniger um technische Fragen als um neue Formen der Zusammenarbeit und um vernetztes Denken.

Anna Schindler, was ist das Ziel der Stadt Zürich mit ihrer Smart City-Strategie?

AS: Unser Ausgangspunkt sind die übergeordneten Strategien «Zürich 2035» des Stadtrats. Sie definieren die Ziele der Stadtentwicklung, etwa in Bezug auf die 2000-Watt-Gesellschaft, stadtgerechte Mobilität oder die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts. Die Strategie Smart City Zürich will dazu beitragen, die Potenziale der neuen technologischen Mittel und der Digitalisierung besser zu nutzen, um diese Ziele zu erreichen. Dabei konzentrieren wir uns vorerst auf drei Strategieschwerpunkte, Partizipation, öffentliche Mobilität und digitale Verwaltung. Zusätzlich wollen wir die Innovation fördern – zuerst in der Stadtverwaltung, später darüber hinaus.

Sie haben die Innovationsförderung angesprochen. Welche Instrumente stehen Ihnen zur Verfügung?

AS: In der «Stadtbox» können die Mitarbeitenden der Verwaltung Ideen eingeben. Für deren Entwicklung bis zu einem ersten konkreten Resultat bieten wir Unterstützung und ein Coaching. Für besonders innovative und meistens departementsübergreifende Projekte haben wir mit dem Innovationskredit auch finanzielle Mittel zur Verfügung. Mit dem «Smart City Lab» haben wir einen Kreativ-Arbeitsort geschaffen, wo unsere Mitarbeitenden mit Externen aus Unternehmen, Hochschulen oder Start-ups zusammenarbeiten und neue Methoden oder Prototypen testen können. Weiter gibt es die Möglichkeit, mit «Innovation Fellowships» Fachleute aus der Wirtschaft, der Forschung oder von NGO zeitlich beschränkt für die Mitarbeit an Innovationsprojekten in der Stadtverwaltung beizuziehen.

Wie möchten Sie eine eigentliche Innovationskultur verankern?

AS: In der Verwaltung ist es wie in jeder Firma: Es gibt viele gute Initiativen, aber es braucht Rahmenbedingungen, dass daraus etwas Konkretes entstehen kann. Diese will Smart City Zürich fördern. Ein Beispiel: Wenn jemand über die «Stadtbox» eine Idee mit Potenzial einbringt, dann muss diese Person Arbeitszeit für die Weiterentwicklung der Idee einsetzen können. Dazu braucht es die Bereitschaft der Vorgesetzten. Und die fordern wir auch ein.

Im Mittelpunkt der Smart City-Strategie der Stadt scheint der Mensch zu stehen, aber welche Rolle spielen technologische Aspekt?

AS: Smart City Zürich ist keine Technologiestrategie, sondern eine politische. Natürlich sind die neuen Technologien für viele Projekte wichtig. Aber im Mittelpunkt steht der Mensch. Das Portal «Mein Konto» etwa bot der Bevölkerung schon bisher einen zentralen Zugang zu den digitalen Dienstleistungen der Verwaltung – Steuererklärung ausfüllen, Umzugs- und Anmeldeformalitäten und so weiter. Jetzt geht es darum, diese Angebote besser auf die Bedürfnisse der Menschen abzustimmen. Das geht weit über ein IT-Projekt hinaus.

Die Stadt Zürich ist auch eine Inspirationsquelle für viele Schweizer Städte, was die verfügbaren Anwendungen angeht. Können Sie einige konkrete Beispiele für digitalisierte Dienstleistungen nennen?

AS: Natürlich, es gibt Dutzende, aber die gäbe es auch ohne die Smart City-Strategie. Dazu gehören Tools wie Holo Planing, das geplante Bauten oder unterirdische Leitungen mit Augmented Reality-Brillen sichtbar macht. Oder die Mobilitätsplattform ZüriMobil und das On Demand-Angebot Pikmi für ein besseres ÖV-Angebot. Oder das städtische LoRa-Netz zur Übertragung von Sensordaten, etwa zur Luftqualität, zur Parkplatzbelegung oder zu Passantenfrequenzen im öffentlichen Raum. Beim Pilotversuch Participatory Budgeting erproben wir, wie wir über eine digitale Plattform die Partizipation der Bevölkerung im Quartier fördern können.

Förderung von Innovationen in der Verwaltung, Entwicklung von digitalen Lösungen und Anwendungen für die Bewohner, was sind die weiteren Bestandteile der Smart City-Strategie in Zürich?

AS: Wir haben die Strategien für die Stadtentwicklung, innovative Ideen und Projekte, und auch die Technologien und die Daten stehen zur Verfügung. Smart City Zürich will das Vorhandene koordinieren, Menschen vernetzen und das Teilen von Informationen fördern. Zürich war immer Vorreiterin beim Thema Open Government Data und stellt eine grosse Anzahl Datensätze aus den Bereichen Umwelt, Mobilität, Bevölkerung und vielen anderen zur Verfügung.Ein Mehrwert entsteht, wenn Daten ausgetauscht und gemeinsam genutzt werden. Auch dazu ein Beispiel: Wir haben die Daten der Anbieter von individuellen Mobilitätsformen wie E-Scooter und Leihvelos mit den Daten unserer Dienstabteilung Verkehr verbunden. Dadurch wird erstmals ein Monitoring dieser neuen urbanen Mobilität möglich. Ein solches brauchen wir, um die Entwicklung steuern und Konflikten im öffentlichen Raum vorbeugen zu können.

Das sechsköpfige Smart City-Team der Abteilung Stadtentwicklung hat seine Arbeit Anfang 2020 aufgenommen. Wo steht man heute?

AS: Projekte wie die «Stadtbox» oder das «Smart City Lab» funktionieren sehr gut, auch wenn sich natürlich nicht alle Mitarbeitenden aktiv einbringen. Aber in einem Pilotprojekt mit dem Gesundheits- und Umweltdepartement haben immerhin 40 Personen aus allen Bereichen ihre Ideen deponiert – darunter viele, die im Alltag keinen Computer benützen. Ihre Vorschläge waren denn auch nicht immer digitale Lösungen. Hier trifft unsere Smart City-Strategie auf die reale Welt. Auch das Pilotprojekt zur Förderung der Partizipation im Quartier und andere Projekte, die sich an die Bevölkerung richten, stossen auf grosses Interesse. Aber wir stehen noch am Anfang des Weges.

Wie wichtig ist für Sie Kooperation und Zusammenarbeit?

AS: Wir pflegen den Austausch etwa im Verband Smart City Hub oder in der Arbeitsgruppe Digitalisierung des Schweizerischen Städteverbands. Wichtiger sind für uns aber häufig die direkten Kontakte mit Städten wie Wien, Hamburg oder Barcelona, die bei der Entwicklung solcher Plattformen oder bei anderen Themen weiter sind.

Anna Schindler

Anna Schindler ist seit 2011 Direktorin Stadtentwicklung der Stadt Zürich. Zur Abteilung gehören die Be-reiche Gesellschaft und Raum, Wirtschaftsförderung, Integrationsförderung, Aussenbeziehungen und Smart City Zürich.Zuvor arbeitete die Kultur- und Wirtschaftsgeografin für deutsch- und englischsprachige Publikationen und Verlage sowie als Kommunikationsberaterin im Bereich Architektur, Immobilien und Städtebau. Sie unterrich-tete Medienwissenschaften, Kulturkommunikation und Kulturmanagement an der ZHAW und an der Universität Zürich.

FOTO: Ruckstuhl Christoph

(Artikel aus dem BG Magazine 2021, aktualisierte Version auf der Website)